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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 709 mal aufgerufen
 sonstiges...
highlander Offline



Beiträge: 1.110

29.10.2007 08:38
RE: Fußball-Fans Zwischen Leidenschaft und Randale Antworten

Die Leidenschaft für den Sport ist die eine Seite des Fußballs - Ausschreitungen während und nach den Spielen die andere. Gerade in der zweiten Bundesliga sorgen derzeit Randalierer für Schlagzeilen. Als Dynamo Dresden am vergangenen Wochenende auf Greuther Fürth traf, war das Polizeiaufgebot beachtlich. laVita sprach am Rande des Spiels mit Fans, Anwohnern und der Polizei.


Als die "schlimmsten Fans der Liga" - so wurden die Anhänger von Dynamo Dresden in einigen Zeitungen bezeichnet. Und tatsächlich war die Zweit-Liga-Mannschaft in letzter Zeit vor allem wegen der Gewalttaten ihrer Hooligans im Gespräch. Zirka 350 Fans haben Stadionverbot, dennoch lösen die Besuche von Dynamo Dresden bundesweit höchste Sicherheitsstufen aus.

So waren beim letzten Gastspiel in Fürth, nicht nur insgesamt 12.900 Zuschauer - davon etwa 3.000 Dresdner Fans - sondern auch über 500 Polizisten anwesend. Normalerweise ist die Fürther Polizei bei einem Spiel ihrer Mannschaft mit etwa 50 Personen im Einsatz - Verkehrsregelung inklusive.

Ausnahmezustand

Einsatzbesprechung
Am vergangenen Freitag wurde sogar Unterstützung aus Würzburg und München angefordert, denn für das Ligaduell gegen Dresden wollte man gut gerüstet sein. Die Anlieger des Stadions sahen dieses Groß-Aufgebot an Sicherheitskräften mit gemischten Gefühlen: Zum einen empfanden sie die Absperrungen als "absolut grausam", denn es sah "eher nach Krieg" als nach einem Fußballspiel aus.

Angst vor den Hooligans

Greuther Fans
Doch im Allgemeinen war man in der Nachbarschaft zum Playmobil-Stadion sehr froh über die Polizeipräsenz. Angst hatte sich im Vorfeld breit gemacht, denn ein unheilvolles Gerücht machte die Runde: Es hieß, dass sich die Hooligans des 1. FC Nürnberg und die der Dresdner an diesem Tag zusammenschließen wollen - gegen Fürth.

Kein Wunder also, dass manche Geschäfte nahe dem Stadion kurzerhand schlossen und auch die anliegenden Privatleute versuchten sich zu verbarrikadieren. Auch die Erfahrung der fränkischen "Kleeblätter" beim Hinspiel in Dresden waren alles andere als beruhigend: Der Fanbus der Fürther wurde in Dresden mit einer Stahlkugel beschossen, die aber glücklicherweise vom Fensterrahmen abgeprallt ist.

Gelb-Schwarz im Visier


Gelb-Schwarz: Fans von Dynamo Dresden
Für die Mehrzahl der Fans von Dynamo Dresden, die wirklich fußballbegeistert sind, haben diese Ausschreitungen auch spürbare Konsequenzen: Überall, egal ob an den Stadiontoren oder in den Innenstädten, werden die Anhänger in Gelb-Schwarz penibel kontrolliert. Auch in Fürth wurden ihnen die Taschen geleert und in die Schuhe geschaut - sogar die Fahrzeugschlüssel mussten die Dresdner abgeben, damit sie keinen Alkohol oder gefährliche Gegenstände aus den durchsuchten Autos holen konnten.

Ob es die Konsequenz der Polizei oder doch die Tatsache war, dass Dynamo als Sieger aus der Fußballpartie hervorging, bleibt dahingestellt - auf jeden Fall verliefen das Fußballspiel und die Stunden danach ohne größere Zwischenfälle.



Hooligans in Deutschland

6.000 Hooligans sind in Deutschland registriert, die Dunkelziffer liegt fast doppelt so hoch. Dabei ist es keinesfalls so, dass die Gewalttäter nur aus den unteren Schichten der Gesellschaft kommen: Viele von ihnen haben einen Beruf und Familie. Auch Ärzte, Juristen oder Ingenieure prügeln nach dem Spiel mit. Dabei wird die Methode in letzter Zeit immer härter: Während sich die Hooligans schon seit längerer Zeit "auf der grünen Wiese" weit entfernt vom Stadion zur "dritten Halbzeit" treffen, greifen immer mehr Gewalttäter nun auch friedliche Fans und unbeteiligte Passanten an. Eine beängstigende Entwicklung...

sherif Offline




Beiträge: 1.046

14.11.2007 15:17
#2 RE: Fußball-Fans Zwischen Leidenschaft und Randale Antworten

Am besten passts hier dazu:

Fanausschreitungen einst und heute

"If they can get you asking the wrong questions, they don't have to worry about the answers."

themse Offline




Beiträge: 917

29.09.2009 12:58
#3 RE: Fußball-Fans Zwischen Leidenschaft und Randale Antworten

Das globale Fußballproblem

Provozierte und erlernte Aggression sowie Dehumanisierung können Auslöser von Ausschreitungen sein.Aggression, Gewalt und Kriminalität werden in der heutigen Gesellschaft zu einem immer größeren Problem. Print- und elektronische Medien sind Tag für Tag voll mit Meldungen dargestellter Brutalität. Eine Brutalität, die auch in die Fußballstadien dieser Welt Einzug gehalten haben.

Noch gut in Erinnerung ist der Fall des französischen Polizisten Daniel Nivel, der bei der WM 1998 in Frankreich von deutschen Hooligans schwer verletzt und misshandelt wurde. Der damals 43-Jährige lag anschließend sechs Wochen im Koma und leidet noch heute an den Folgen. Alleine in den letzten Wochen wurde in den Medien mehrmals von schweren Ausschreitungen berichtet.


Krawalle in ganz Europa
Am 2. Februar starb der 38-jährige Polizist Filippo Raciti bei Fan-Ausschreitungen beim Serie-A-Spiel zwischen Catania und Palermo. Ein Toter, ein schwer Verletzter und weitere 71 Verletzte lautet die traurige Bilanz.


In Spanien wurde beim Stadtderby Betis gegen FC Sevilla Coach Juande Ramos von einer mit Wasser und Eis gefüllten Plastikflasche niedergestreckt. In Frankreichs Ligue 1 kam es am Wochenende ebenfalls zu massiven Krawallen.


Psychologie als Erklärung
Gewalttaten sind schon längst kein lokales, sondern wurden zu einem globalen Phänomen, dessen Häufigkeit zunimmt. Auch in Österreichs Stadien sind diese Szenarien mittlerweile kein unbekanntes Problem.


Die Psychologie, angefangen bei Sigmund Freud, liefert im Zusammenhang mit Aggression mehrere Theorien, die sowohl aus Labor- als auch aus Feldversuchen resultieren. Interessant dabei ist, dass zu einigen Ansätzen ein Kontext zum Fußball hergestellt werden kann.


"Die Kurve gehört uns"
Bei der Theorie des Aggressionstriebs sieht die Psychologie als Auslöser der Aggression das Territorialverhalten - der angeborene Trieb, Grundbesitz zu gewinnen und zu verteidigen - im konkreten Fall der Fanblock.


Initiativen wie "Die Kurve gehört uns" sprechen sich eindeutig für ein autonomes Gebiet aus. Ihre Forderungen gehen vom Rückzug der Stewards über Lockerung der strikten Stadionrichtlinien bis zu Maßnahmen gegen "Polizeiwillkür".


Reaktion auf provozierte Reize
Dieses Eindringen der Exekutive leitet direkt zu einer weiteren Theorie über - jener der Aggression als provozierte Bereitschaft, bei der jede Aggression einen Hinweisreiz braucht. Ausschreitungen können größtenteils nicht vorhergesehen werden, sondern gelten als impulsive Reaktion auf einen provozierenden Reiz aus der Umwelt.


Beispielsweise kann das Tragen von Schlagstöcken oder anderen Waffen mit dem Ausbruch der Wut einhergehen. Zwischenfälle ereignen sich dann, wenn beide Seiten auf das reagieren, was sie als Bedrohung ihrer Integrität und ihres Selbstwertgefühls empfinden.


Fangruppe als soziales System
Eine Reaktion einiger weniger kann in weiterer Folge zu einem kollektiven Verhalten führen. Nach der sozial erlernten Aggression wird das Warum unter dem Einfluss von Belohnung, sozialer Normen und Beobachtung erklärt. Oft stellt ein Fanblock ein nahezu in sich geschlossenes soziales System mit unterschiedlichen Altersgruppen dar.


Je nachdem wie die Lerngeschichte, die persönliche Lebenserfahrung eines jungen Fans aussieht, wird sein Verhalten unterschiedlich sein. Wenn sich die Bezugsgruppe aggressiv verhält und gewalttätige Handlungen mit Beifall und Prestigezuwachs belohnt, fühlen sich Jugendliche unter Druck, konform mit der aggressiven Norm zu handeln, und kopieren das aggressive Verhalten.


Theorie der Dehumanisierung
Wie sich jemand aber gegenüber dem "Feind" verhält, hängt weiters davon ab, wie er ihn wahrnimmt. In der heutigen Gesellschaft ist die Theorie der Dehumanisierung präsenter denn je.


Unterschiedliche Gruppen, hierzu zählt im Falle des Fußballs auch die Polizei, werden in einem gewissen Grad nicht mehr als Menschen angesehen, sondern als hassenswertes Objekt, dessen Anwesenheit oder Handlungen die Freiheit der Fans einschränkt.


Ein schmaler Grat
Alles in allem ein Teufelskreis, der das Aggressionspotenzial schürt und am Leben erhält. Neben der angeborenen Aggression ist aber vor allem die Fähigkeit des Individuums gefragt, mit diesem Problem umzugehen.


Bei jedem Menschen staut sich Frustration auf. Manche können dieses aufgestaute Problem in verträglichen Mengen auf eine sozial akzeptable Weise durch Weinen oder Worte abgeben, bei anderen staut sich die Frustration so lange, bis sie auf extreme Art "überläuft".


Ein schmaler Grat, auf dem sich zu bewegen fast unmöglich ist. Sowohl Fans als auch Sicherheitskräfte sind gefordert, um in Zukunft eine weitere Eskalierung in den Fußballstadien zu verhindern.


Christian Wagner, ORF.at

.....die liebe psychologie

Die Wunden der Sieger heilen schneller als die der Besiegten.

themse Offline




Beiträge: 917

29.09.2009 13:03
#4 RE: Fußball-Fans Zwischen Leidenschaft und Randale Antworten

...und da gehts gleich weiter

"Das Versagen eines Zustandes"
"In einer affektiven Reaktion ist man sich der Konsequenzen überhaupt nicht bewusst."Das Blackout: eine Reaktion, die in einer Prüfungssituation ebenso auftritt wie nach übermäßigem Alkoholkonsum. "Das plötzlich völlige Versagen eines Zustandes", lautet die allgemeine Definition.

Auch im Sport ist das Blackout ein ständiger Begleiter. Im Fußball kassieren Goalies "Steirertore", im Kampf um Medaillen versagen schon einmal die Nerven.


Immer häufiger führen aber die geistigen Aussetzer zu provokanten Gesten oder gar körperlichen Attacken, die weit über die Grenzen des Akzeptablen hinausgehen.


Wenn jeder zum Gegner wird
Besonders schlimm war die Aktion von Sergio Jauregui, der in Bolivien Anfang September im Stadtderby von Santa Cruz seinen Gegenspieler Leonardo Medina mit einem brutalen Karatetritt niederstreckte und trotz Beteuerung eines Blackouts für ein Jahr gesperrt wurde.


Auch Schiedsrichter legen sich, wie zuletzt in der Schweiz FIFA-Referee Massimo Busacca, per Mittelfinger mit den Zuschauern an, und Spieler attackieren Fans handgreiflich - wie das englische "Enfant terrible" Craig Bellamy von Manchester City im letzten Stadtderby.


Der Stress fordert seine Opfer
In der Psychologie spricht man dabei von einem Affekt, einer emotionalen Reaktion, die ohne kognitive Steuerung auftritt. In diesen Momenten greift bei einem Sportler die Emotionskontrolle nicht. Bei entsprechender Persönlichkeit kommt es dann zum Ausraster.


"Das Problem im Sport ist, dass das Aktivierungsniveau so hoch ist", erklärt der Sportpsychologe Günter Amesberger von der Universität Salzburg im Gespräch mit ORF.at. Gemeint ist der Stress, der durch Druck von außen und den Zwang, eine Höchstleistung erbringen zu müssen, hervorgerufen wird.


Blockade und Kontrollverlust
"Emotionen sind immer eine Koppelung von Emotionsverarbeitung und Aktivierungsniveau. Je höher das Niveau ist, desto wahrscheinlicher ist ein aggressives Verhalten", so Amesberger, der vor der Euro 2008 das ÖFB-Team psychologisch EM-reif machte.


"Es gibt eine hohe Adrenalinausschüttung. Man hat Stressreaktionen und vermutlich auch eine Blockade der kognitiven Areale. Das Emotionszentrum verliert kurzfristig komplett die Herrschaft. Man wird ohne Kontrolle über den Zentrallappen gesteuert", nennt Amesberger auch die Abläufe auf der physischen Ebene.


Denn sie wissen, was sie tun
Einen absoluten "Filmriss" gibt es jedoch nicht, denn der Akteur hat an den Ablauf und die Ursachen seiner Aktion sehr wohl eine Erinnerung.


"Der Kortex hat ausreichend Informationen, damit er einem erzählen kann, was da passiert ist. Wenn das nicht der Fall ist, wären das schon psychische Ausnahmesituationen. Hier müsste man schon von Persönlichkeitsstörungen sprechen", erläutert Amesberger.


Zidane verliert den Kopf
"Opfer" des Kontrollverlusts wurde auch der Franzose Zinedine Zidane, der in der Öffentlichkeit bis zum WM-Finale 2006 in Berlin als eher ruhiger Zeitgenosse wahrgenommen wurde.


Mit seinem legendären Blackout stellte er dann beinahe seine sportlichen Leistungen in den Schatten. Der berühmteste Kopfstoß der Sportgeschichte traf den Italiener Marco Materazzi und sorgte für den unrühmlichen Abgang Zidanes von der Weltbühne des Fußballs.


Provokation bringt Fass zum Überlaufen
"Die hohe Aktivierung war sicherlich ein Mitgrund. In diesem Fall war es aber nicht der entscheidende Grund, weil es eine gezielte Provokation von einem Spieler gab, den er gut kannte. Das und der Druck hat seine Handlungskontrolle leiden lassen", so Amesberger.


Kein Gedanke an die Konsequenzen
An die Folgen des Ausrasters in seinem letzten Spiel für sich und sein Team verschwendete Zidane im Affekt allerdings keinerlei Gedanken.


Aus einem logischen Grund, wie Amesberger weiß: "In einer affektiven Reaktion ist man sich der Konsequenzen überhaupt nicht bewusst. Das bezeichnet man als reaktive Aggression. Unmittelbar nach dem Angriff einer anderen Person setzt man eine Antwortreaktion, ohne die Konsequenzen zu bedenken."


Sportgymnastik nicht "weniger aggressiv"
Doch nicht nur im Fußball kommt es zu Affekten - man erinnere sich nur an den Ohrenbiss von Mike Tyson im WM-Boxkampf gegen Evander Holyfield.


Laut Amesberger gibt es Sportarten, die für einen "Auszucker" und aggressive Handlungen prädestinierter sind als andere. Der Grund liegt in den unterschiedlichen Verhaltenskodizes der jeweiligen Sportart.


"Überall, wo Körperkontakt und ein härteres Niveau üblich sind, findet das in der direkten Auseinandersetzung statt. Man braucht nicht glauben, dass Rhythmische Sportgymnastik weniger aggressiv ist, aber es wird auf einer ganz anderen Ebene ausgetragen. Hier sind die Verhaltensnormen im Sport ganz entscheidend für die Grundmuster", so der Sportpsychologe.


Der Unterschied zwischen Mann und Frau
Alleine damit erklärt sich das manchmal abnorme Verhalten aber nicht. Vielmehr gibt es auch einen geschlechterspezifischen Unterschied, denn schließlich wird Fußball auch von Frauen gespielt. Dort gehört laut Amesberger "die Drohgebärde grundsätzlich schon dazu, ansonsten hätte man den Gegner vielleicht viel zu wenig unter Kontrolle".


Aber obwohl sich die Damen ebenfalls nicht immer "ladylike" verhalten, legen sie größtenteils ein besseres Benehmen an den Tag. "In der Regel hängt es schon ein Stück mit dem Geschlecht zusammen, weil es dem Mann alleine von der Sozialisation her viel eher erlaubt ist, aggressiv zu sein. Mädchen sind viel mehr geschult im Zurückhalten von aggressiven Handlungen", erklärt Amesberger.


Sportlicher Gegner und kein Feind
Ein brutales Verhalten gänzlich zu vermeiden ist laut Amesberger jedoch nicht möglich, obwohl "die Deeskalierung ein Grundanliegen im Sport" sein sollte.


Wichtig sei, dass ein Wettkampf - sowohl medial als auch von Trainer- und Sportlerseite - nicht als "Schlacht" oder "Vernichtungskampf" dargestellt werde.


Der Konkurrent solle als sportlicher Gegner und nicht als Feind, den es zu vernichten gilt, angesehen werden. In der Folge käme es nicht zu einer Entpersonifizierung. "Das ist ganz wichtig. Wer das nicht tut, läuft Gefahr, den Sportethos zu unterlaufen", so der Appell des Sportpsychologen.


Christian Wagner, ORF.at


Die Wunden der Sieger heilen schneller als die der Besiegten.

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